Erziehungswissenschaften (Fach) / EW-Allg.Päd. (Lektion)

Vorderseite Erziehungsbegriff Brezinka (Koller)
Rückseite

Erziehung als Beeinflussung psychischer Dispositionen (Brezinka)

Für Brezinka sind exakte Definitionen von Termini äußerst wichtig und auch den Begriff der Erziehung erachtet er als einen der wichtigsten Grundbegriffe.

Seine Definition des Erziehungsbegriffs lässt sich in 5 Bestimmungen aufteilen:

  1. Erziehung = soziales Handeln

wobei Brezinka zuerst „Handeln“ definiert: Handlung ist immer zweckgerichtet und unterliegt einer Absicht. Deshalb lässt sich die Handlung auch vom Verhalten unterscheiden, da es unabsichtlich „passiert“ (z.B. blinzeln).

Beim sozialen Handeln ist die Absicht/Intention auf andere Menschen gerichtet. Brezinka grenzt erzieherisches Handeln ein, indem er sagt, dass nicht jede soziale Handlung eine erzieherische ist.

  1. Soziales Handeln geschieht zw. 2 Personen, die einander nicht gleichrangig gegenüberstehen

Erzieher (SUBJEKT) <=> Zögling/Educand/Adressat der Erziehung/ ErziehungsOBJEKT

(hierarchisches Verhältnis zwischen den Betroffenen)

  1. Erziehung = kausales Ursache-Wirkungs-Verhältnis

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erzieherisches auf den Educanden

Handeln

Brezinka ist der Ansicht, dass ohne ein Kausalverhältnis zwischen dem Erzieher und dem Educanden, Erziehung nicht möglich ist.

Der Erzieher will dem Educanden bestimmte Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Einstellungen, Haltungen, Gesinnungen, Überzeugungen (psychische Dispositionen) beibringen, die eine bestimmte Wirkung auf den Educanden haben sollen.

  1. Wirkung betrifft das Innere (Persönlichkeit; Gefüge psych. Dispositionen) des Educanden

Brezinka: Erziehung = Beeinflussung der psych. Dispositionen des Educanden

Im Mittelpunkt steht nicht z.B. das Selber-Denken, sondern die Gesamtheit dieser psych. Dispositionen (sämtliche Fähigkeiten, Haltungen, Einstellungen, die eine „relativ dauerhafte Bereitschaft zum Vollzug bestimmter Erlebnisse oder Verhaltensweisen erwarten lassen)

  1. Wirkung, die im Educanden erzeugt werden soll, soll bewertet werden (Bewertung der Zwecksetzung)

Erzieherisches Handeln folgt nicht einer beliebigen Lust, sondern einer Wertordnung. Der Erzieher soll sich an Normen bzw. an Idealen orientieren (was soll getan werden?).

Er soll sich an bestimmte Bilder des Menschen halten (wie jemand den Educanden haben will).

Deshalb sagt Brezinka: Erziehung = wertorientiertes bzw. an Normen ausgerichtetes Handeln

Er gibt jedoch an, bei seiner Definition von Erziehung wertfrei vorgegangen zu sein.

=> Sein Erziehungsbegriff ist rein deskriptiv!

Diese Definition von Erziehung weist aber auch einige Probleme auf:

a) psychische Dispositionen können nicht direkt wahrgenommen werden, man kann sie nur indirekt erschließen (S.52: „aus beobachteten eigenen seelischen Erlebnissen und fremden Verhaltensweisen“)

b) man kann, laut Brezinka, nicht erkennen, ob eine Handlung erzieherisch ist oder nicht, da man nicht weiß, welche Intentionen zugrunde liegen (man müsste in das Innere des Erziehers blicken oder ihn befragen, um die Absicht seines Handelns erkennen zu können, aber auch dann kann man sich nicht sicher sein, ob er die Wahrheit erzählt hat.)

c) ein weiteres Problem hängt mit dem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zusammen:

die Absicht eines Erziehers ist, eine bestimmte Wirkung im Educanden hervorzubringen, doch es kann natürlich auch sein, dass diese Wirkung nie eintritt.

=> Ursache ohne Wirkung

d) doch natürlich gibt es auch Wirkung ohne Ursache!

Manche Handlungen Erwachsener rufen Wirkungen hervor, obwohl dies nicht beabsichtigt war.

=> Sollte man den Erziehungsbegriff vom Modell des Ursache-Wirkungs-Verhältnisses befreien? Sollte man lieber zwischen einem intentionalen und einem funktionalen Begriff von Erziehung unterscheiden?

Intentional: Intention des Erziehers als entscheidendes Kriterium, ob es sich um Erziehung handelt oder nicht.

Funktional: wenn eine Handlung eine Wirkung hervorruft, unabhängig davon, welche Intentionen zugrunde liegen.

e) schwerwiegendstes Problem: Auffassung von Erziehung als eine Subjekt-Objekt-Relation

Erzieherisches Handeln ist immer mit den Intentionen des Erziehers verbunden; aber was ist

mit den Intentionen/Motiven/Wünschen/Bedürfnissen des Educanden? Dieser ist ja

schließlich auch ein Subjekt!

Diese Karteikarte wurde von henryrath erstellt.